Kirchengedenken an die Opfer ohne Erwähnung der eigenen Täterschaft?
Wir veröffentlichen hier nun eine Erklärung unseres Genossen Alfred J. Arndt auf die Einladung der Margit-Horváth-Stiftung in Mörfelden.
Liebe Stiftung,
Der Einladung zur Gedenkveranstaltung für die deportierten Mörfelder Juden bin ich heute nicht gefolgt.
Warum?
Ich wollte einen Eklat vermeiden, der dem öffentlichen Ansehen der Stiftung geschadet hätte.
Die Kirchen, besonders die evangelische, hatten zur Zeit des Faschismus in Deutschland nichts besseres zu tun, als sich bei den Nazis anzubiedern und sie kräftig zu unterstützen.
Die kleine Auswahl von Fotos aus dieser Zeit möge das belegen.
Sie sind nur die Spitze eines braunen klerikalen Eisberges.
Auf den einzigen Niemöller kamen tausende Mitläufer, auf den einzigen Bonhoeffer tausende Mittäter. Auch um Mörfelden machte diese Kirchenpolitik keinen Bogen: Im Oktober 1934 hielt der evangelische Pfarrer Schwarz in SA-Uniform eine Erntedank-Predigt im von den Nazis beschlagnahmten Volkshaus. Die Glocken läuteten damals wie heute – ich kann mir gut vorstellen, wie das Gebimmel zu Ehren des Hakenkreuzes in den Ohren der Mörfelder Juden geklungen haben mag. Es ist für mich schlicht unappetitlich, mitanzusehen, wie dieselbe Kirche sich heute wieder nach vorne an die Mikrophone und Kameras drängelt, nachdem sie sich der gedrehten historischen Windrichtung angepasst hat – diesmal, um das Gedenken an die deportierten Juden für sich zu reklamieren. Wenn der historische Wind sich mal wieder in die andere Richtung dreht, habe ich keinen Zweifel daran, wo diese Kirche dann stehen wird.
Wenn es wirklich einen Gott gäbe (was – zum Glück für die Kirche – nicht der Fall zu sein scheint), dann würde er den ermordeten Juden die Möglichkeit geben, aus ihren Gräbern zu steigen, um den Vertretern dieser Kirche links und rechts ein paar auf die Backen zu hauen. Besuchte ich diese Veranstaltung – es drängte mich unwiderstehlich, dies stellvertretend für die deportierten Mörfelder Juden zu tun.
Mit Rücksicht auf die sicherlich andere Auffassung der Stiftungsmehrheit erspare ich deshalb dem heuchlerischen Kirchen-Gedenken meine Anwesenheit, denn mir fehlt die Kraft, so viel Beherrschung und Selbstverleugnung aufzubringen.
Alfred J. Arndt